TV-Kolumne "Die spektakulärsten Kriminalfälle" - Vergewaltigung, Mord und andere Grausamkeiten: Warum die Kabel 1-Real-Krimis widerliches Gaffer-TV sind

Fünf Wochen später dann die Befreiung. Muss man mehr wissen zu so einem Martyrium? Wenn man bei Kabel 1 Programm macht, anscheinend schon. „Mehr als 100-mal vergewaltigt“, schreien einen die eingeblendeten Schlagzeilen aus dem Boulevard an. „Kinderzimmer der Tränen“ und Weiteres an Schrei-Journalismus. Die Eltern, wie sie verzweifelt um Beherrschung bemüht sind und dann doch weinen. Es ist zum Heulen.

Das Motto der Reihe auf Kabel 1: „Wir rufen die bekanntesten Verbrecher und ihre grausamen Taten in Erinnerung.“ Weil Schmutz bringt Quote – und Gaffer glotzen nicht nur auf der Straße, wenn Unfälle geschehen, sondern mögen den Grusel gerne auch am Sonntagabend zu Chips und Nüsschen. Dass statt des korrekten Begriffs „Sicherungsverwahrung“ stets von „Sicherheitsverwahrung“ die Rede ist, zeigt unverkennbar den niedrigen Qualitätsanspruch einer solchen Reihe.

Merken Sie sich: Man kann nicht vorsichtig genug sein - das Kind bleibt trotzdem tot

Barbara Eligmann, frühere Moderatorin von „Explosiv“ und jetzt an der Seite von „Mietern in Not“, darf Stichworte geben. Zur Expertin dieser Real-Krimi-Sendung macht sie offenbar vor allem die Tatsache, dass sie – wie mehrmals eingeblendet – Mutter von drei Kindern ist. Zur Erhellung der Fälle kann sie Sätze beitragen wie: „Man kann eigentlich nicht vorsichtig genug sein.“ Oder: „Man kann der Familie nur wünschen, dass sie die allerbeste Hilfe hat.“ Oder: „Man wundert sich immer, wozu Menschen fähig sind.“ Wenn das mal nicht ein Trost für traumatisierte Angehörige ist.

Warum allerdings mehr oder weniger renommierte Experten wie Kriminologe Christian Pfeiffer, Kriminalpsychologe Rudolf Egg, Kriminalbiologe Mark Benecke und Gerichtsjournalistin Gisela Friedrichsen bei diesem Voyeur-TV mitmachen, bleibt rätselhaft.

Sexuell abartig: Das wird genüsslich zum Grusel-Gemisch aufbereitet

Der sexuell abartige und extrem gefährliche Täter Rolf Diesterweg kommt ohne Therapie aus der Haft und kann erneut zuschlagen. Die zehnjährige Kim wird sein nächstes Opfer. Das alles war bereits 1997 – und wird nun nochmals genüsslich zum Grusel-Gemisch aufbereitet. Anders als Sendungen wie „Aktenzeichen XY...ungelöst“, wo Kriminalfälle mit Hilfe von Zuschauerhinweisen geklärt werden sollen, darf bei Kabel 1 einfach nur das Spektakel im Mittelgrund stehen. Horror zum Ausklang des Wochenendes. „Sie besuchen regelmäßig das Grab der geliebten Tochter“, schmalzt es aus dem TV-Gerät über die Eltern der ermordeten Kim. Zwischen Verstümmelung und Vergewaltigung läuft Werbung: für den perfekten Partner aus dem Internet, Reklame für Produkte gegen Haarausfall, weißere Zähne, vergessen wir nicht das gute Wurstbrot. Dann geht es weiter mit dem „Macheten-Mörder“ aus Santa Fu und einem Serien-Killer aus Kasachstan – und zum Glück fallen noch ein paar blanke Popos von Go-Go-Girls ab.

Barschel: Für alle Couch-Chiller noch mal weidlich ausgeschlachtet

Dann also noch Barschel, die unendliche Geschichte. War es Mord oder Suizid? Natürlich gibt es auch bei diesem Fall nichts Neues, aber wenigstens wird er für die gemütlichen Couch-Chiller noch mal weidlich ausgeschlachtet. Uwe Barschel, seinerzeit Ministerpräsident Schleswig-Holsteins unter politischem Druck, wird in einem Genfer Hotel tot in der Badewanne gefunden. Geheimdienst, Intrigen, Ehrenwort, Tod in der Wanne: „Könnte der letzte Rest einer Inszenierung sein“, raunt TV-Jurist Ingo Lenßen mit Bartdrall. Hat Barschel alle Medikamente wirklich selbst eingenommen? Was bedeutet ein abgerissener Knopf? „Eine fremde Faust“ könnte im Spiel gewesen sein, meint der Anwalt der Familie Barschel. „Es war Mord“, glaubt Barschels Bruder Eike bis heute. „Ich würde das offenlassen“, meint Experte Mark Benecke. Oder: „Jeder kann dazu seinen Senf geben“, wie Gisela Friedrichsen, die erfahrene Gerichtsreporterin, sagt. 

Das senfige Grausam-Grusel-Gerühre ist ein Panoptikum der realen und TV-Perversionen. Nach drei Stunden hat das Grauen dann endlich ein Ende. Gute Nacht, hoffentlich.

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Source: FOCUS Online by Von FOCUS-Online-Autorin Carin Pawlak

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